Na, wie steht’s um Ihre Begegnungsqualität?
„Come as you are.“ So der Wortlaut auf der Einladungskarte für das Afterwork-Dinner. Na, bei Beginn um 18 Uhr wäre auch keine Zeit mehr, sich umzuziehen. Der Blick in den Kleiderschrank am Morgen fällt also dementsprechend aus. Kurz nachgedacht, was sich denn später behände in abendtauglich verwandeln lässt. Kurzum: „Come as you are“ heißt genauso wenig Shorts, Flip-Flops und Hawaiihemd wie Stiletto, Top und Mini. Gut beraten sind die, welche sich kurz darauf besinnen, von wem diese Einladung ist und wem Sie begegnen, bevor Sie in irgendeine Klamotte springen, die dann entweder under- oder overdressed ist.
Wie sehr wünsche ich mir diese Gedenkminute vor mancher Gesprächsbegegnung. Alle Äußerlichkeit mal beiseitegelassen: Mir geht es darum, in welcher Qualität Sie anderen begegnen. Aufgeräumt oder total unsortiert? Weil Sie gerade vom Bankdirektor Ihres Kreditinstitutes einen übergebügelt bekommen? Weil Liebling Sie heute Morgen wieder gedrängt hat, am Abend mal eher nach Hause zu kommen? Weil Kunde Lehmann noch immer nicht geantwortet hat, ob der Deal jetzt zustande kommt oder nicht? Kurzum, unsortiert, weil die Nerven einfach blank liegen.
Wo sind die Gedanken?
Hand aufs Herz? Wo sind Sie dann mit den Gedanken? Wenn Sie jetzt sagen „Bei der Sache.“, tun Sie mir den Gefallen und rufen Sie mich an – da will ich direkt wissen, wie Sie das machen. Denn das, was ich jetzt meist erlebe, ist, dass die Stimmung für das Gespräch schon im Wackelmodus zwischen „gerade noch die Kurve gekriegt“ und „heute ist es wieder schlecht, ganz schlecht“ startet. Auf dass das Thema jetzt eines sein möge, welches nicht auch noch Öl in den Scheiterhaufen gießt.
Eines ist mal sicher: So wird das weder mit dem Bankdirektor was noch mit Schatzi und bei Kunde Lehmann wäre ich jetzt auch unsicher ...
Jede Minute der Vorbereitung hätten Sie lieber mit Schatz verbringen sollen, wenn Sie so quergebügelt in ein Gespräch gehen. Ja, es gibt diese Tage, an denen die eigene Lunte verdammt kurz ist. Die verlängert sich genauso wenig, wenn Sie daran ziehen, wie der Grashalm auf der Blumenwiese. Ich weiß, wovon ich spreche … ja, ich habe selbst damit ausreichend Meetings zum Scheitern gebracht.
„Ich hoffe inständig, Sie kommen zur Besinnung“
Es war wieder Mittwoch. Meeting-Mittwoch. 14:00 Uhr. Abgehetzt flog ich mit wehendem Jackett in den Raum, knallte meine Mappe auf den Tisch und während ich mich in den Stuhl fallen ließ, war ich der Meinung, die Gesprächsrunde schon mal eröffnen zu können. Dafür zu viele Worte zu verschwenden, wird auch völlig überbewertet … dachte ich. Und dann mein F&B-Direktor damals. Der rückte mal kurz vom Tisch ab, schlug die Beine übereinander, nahm die vor ihm stehende Kaffeetasse in die linke Hand und begann, mit der rechten Hand in aller Seelenruhe in der Tasse zu rühren. Dann schaute er mich an … ich vergesse es nie: Er legte den Kopf leicht schräg und schaute mich mit einer stoischen Ruhe an, die allein mein Blut noch einen Takt schneller durch die Adern schießen ließ. „Ich bin froh, dass der liebe Gott dafür gesorgt hat, dass wir automatisch atmen. Ich weiß nicht, wie das ansonsten bei Ihnen wäre. Ich hoffe inständig, dass Sie zur Besinnung gekommen sind, wenn ich meine Tasse Kaffee getrunken habe, damit wir dann gemeinsam an den strategischen Dingen arbeiten können, die wir uns für heute vorgenommen haben. Ihre Leute haben verdammt viel Zeit und Mühe darin investiert, Ihnen etwas vorzustellen. Es wäre schön, Sie könnten sich dafür auf Empfang stellen. Vielen Dank.“ Dann setze er seine Kaffeetasse an und trank in aller Ruhe einen großen Schluck. Den machte ich damals auch, nur ohne Kaffee.
Einmal innehalten bitte
Ein paar Wochen später … es soll ja keine Zufälle geben … saß ich bei Cristián Gálvez und lernte den Türschwellenmoment kennen. Auf dem Weg in das Gespräch einfach mal für einen Moment innehalten. Im Video-Call, kurz bevor ich den Knopf drücke, der mich auf die Online-Bühne bringt. In Präsenz, kurz bevor ich mein Büro oder mein Hotelzimmer, das Auto oder den Fahrstuhl verlasse, um zu dem Gespräch zu gehen. „Mit welcher Haltung gehe ich jetzt in das Gespräch?“ „Wo sind meine Gedanken?“ „Was beschäftigt mich gerade und was kann ich getrost hier parken, weil das Thema auf mich wartet und vielleicht sogar positiv beflügelt wird, wenn ich es nachher mit frischen Gedanken wieder abhole?“
Einmal sich selbst überprüfen. Darauf, in sich zentriert zu sein. Im Hier und Jetzt zu sein, in diesem Moment. Sich gerade machen, noch Mal tief einatmen und dann in aller Entschiedenheit und mit klarem Fokus meinem Gegenüber begegnen.
Das C.O.A.C.H. Modell – Wirksamkeit pur
Und noch eines gab mir Cristián mit auf den Weg: Das C.O.A.C.H. Modell.
Das C steht für centered (zentriert sein), das O für open (offen sein für das, was da kommt), das A steht für aware (bewusst im Moment sein), das C für connected (sich mit der anderen Person emotional verbinden) und das H steht für hold (die Kunst, den Moment zu halten.)
Ja, das will trainiert werden, doch es lohnt sich. Glauben Sie mir: Wirksamkeit pur.
Es geht am Ende um das Thema, um Fakten, doch damit da was draus wird, ist das Entscheidende die Qualität der Begegnung von Mensch zu Mensch. Immer.
In meinem neuen Buch „Fakten brauchen Hirn: 5 Sterne für Leader“ gebe ich Ihnen noch mehr Impulse zu dem Thema Wirksamkeit – lesen Sie gerne rein.