Noch ein Leadership-Modell? Echt jetzt?!
Dienend, heldenhaft, autokratisch, demokratisch, agil, transaktional, bürokratisch – brauchen wir wirklich noch ein Modell, das zeigt, wie Führung funktioniert? Sagen wir es so: Gibt es nur einen Weg, der nach Rom führt? Wir können gemütlich auf der Landstraße, mit dem Flugzeug, Zug, Fahrrad, auf dem Pferd oder zu Fuß ins Herz Italiens gelangen, je nachdem, wer mit uns reist, welches Budget wir haben und wann wir dort sein wollen. Mit Oma Gertrude und dem zweijährigen Tim im Team werden wir nicht täglich 30-Kilometer-Märsche auf uns nehmen, dafür haben wir vielleicht ausreichend Zeit, mit dem Auto oder Zug zu reisen. Und jetzt die Antwort: Ja, ein weiteres Modell, das eine Ergänzung, eine neue Perspektive und weitere Aspekte der vielen Wege des Leaderships aufzeigt, ist durchaus einen Gedanken wert.
Persönlich fühle ich mich in der dienenden Rolle im Sinne der Servant Leadership sehr wohl, doch mir ist bewusst, dass einige Menschen ein Problem damit haben, sich selbst als Diener zu bezeichnen. Und ja, es bedarf viel Klarheit, nicht vorauszusetzen, dass jeder Dienende einen Meister hat, der vorschreibt, was zu tun ist. Da sehen sich manche doch lieber als Helden. Doch tritt der Leader als Held auf, was können die Mitarbeitenden dann noch tun? Ihnen bleibt nichts anderes als zu warten, bis die Heldentaten vollbracht und sie gerettet sind. Falls der Held jedoch versagt, geht die Welt unter. Die Mitarbeitenden sind also zur Passivität verdammt und haben wenig Spielraum, selbst etwas einzubringen.
Früher oder später kommen alle in ein Leadership-Dilemma. Je nachdem stehen sowohl Dienender als auch Held sowie jede andere Führungspersönlichkeit zwischen den Mitarbeitenden und der Organisation, denen sie beide gerecht werden wollen oder sogar „müssen“.
Hat jemand nach einem Host gerufen?
Das neue Leadership-Modell, das die Führungspersönlichkeit als Host ins Spiel bringt, versucht eine Brücke zu schlagen. Hierbei geht es nicht um Regeln, sondern viel mehr um flexible Rollen und Positionen, die eine Führungsperson je nach Bedarf und Situation einnimmt. Mark McKergow und Helen Bailey liefern uns damit einen neuen Führungsstil, der den Fokus nicht auf die Führungsperson selbst, sondern auf ihre Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen und Verbindungen mit anderen Menschen einzugehen, legt.
Party mit Plan oder planlose Party?
Was macht einen guten Gastgebenden aus? Das Host Leadership geht von sechs Rollen aus, die ein Leader in der Lage sein sollte, zu übernehmen.
- Der Initiator bestimmt, was für den richtigen Rahmen einer erfolgreichen Party benötigt wird. Für eine Hochzeit mit 200 Gästen wäre Schwiegermutters Küche wohl kaum geeignet – ebenso gehört die Einhorndeko auf den Kindergeburtstag und Gulaschkanone aufs Feuerwehrfest. Wenn der Rahmen klar ist, beginnt die tatsächliche Planung und die ersten Schritte werden getan.
- Als Inviter entscheiden die Gastgebenden nun, wer zur Feier eingeladen wird. Es wäre doch peinlich, wenn eine Riege an Ex-Partnern auf der Hochzeit noch verzweifelt ihre letzte Chance nutzen will, oder? Es gilt also, sowohl einen Schritt nach vorne zu tun, und die richtigen Gäste einzuladen als auch zurückzugehen und ihnen die Wahl zu lassen, ob sie annehmen oder absagen.
- Jetzt kommt die Rolle des Space Creators ins Spiel, schließlich sollte der Raum so gestaltet werden, dass er den Bedürfnissen der Gäste gerecht wird. Gibt es auf unserer Hochzeit genug Tische, sind die Toiletten sauber, hat die Band einen Platz usw.? Hosts kümmern sich um alle Details und versuchen im Voraus zu planen. Bei der Feier selbst treten sie einen Schritt zurück – sind allerdings für den Fall der Fälle jederzeit bereit, ins Rampenlicht zurückzukehren.
- Als Host bzw. Gatekeeper heißen Sie nun Ihre Gäste willkommen und behalten den Überblick. Wissen sich alle zu benehmen? Hat Onkel Bernhard zu tief ins Glas geschaut und muss ins Zimmer gebracht werden? Läuft etwas schief, sind Sie als Host es, der den Feierenden den Tag rettet. Sie befreien die Gäste, manchmal auch ohne ihr Wissen, aus einer unangenehmen Situation, bevor jemand zu Schaden kommt.
- Ein guter Gastgebender zeichnet sich auch dadurch aus, dass er die Anwesenden kennt, sich mit ihnen unterhält, sie einander vorstellt und verbindet. Zudem ist er stets aufmerksam und erkennt, wenn jemand „verloren“ wirkt. Cousine Sandy sitzt allein am Tisch und wartet, dass sie jemand zum Tanzen auffordert – als guter Gastgebender wissen Sie, dass es jemanden gibt, der dies liebend gern übernimmt. Kurz gesagt: Sie schaffen als Connector Beziehungen.
- Hosts sind während der gesamten Feier präsent und genießen das Event, sollten aber als Co-Participant immer wieder zwischen der führenden und der dienenden Rolle wechseln: Mal muss die Richtung vorgegeben werden: die Moderation für den nächsten Programmpunkt, das Ankündigen der Torte; danach ist es an der Zeit einen Schritt zurückzumachen und den Gästen den Vortritt zu lassen.
Es bleibt eine Frage der Persönlichkeit
Bevor Sie sich jetzt noch im Dschungel der Metaphern verlaufen oder mit einem Trauzeugen abschwirren, lassen Sie sich gesagt sein, dass nicht jedem Gastgebenden sofort alles auf Anhieb gelingt. Aus meinen vielen Jahren in der Hotellerie könnte ich da Geschichten erzählen … nun gut, das ist ein anderes Thema. Sicher ist, dass Host Leadership nicht das eine Rezept mit Geling-Garantie ist – überfrachten Sie die Metapher des Gastgebens also nicht. Sie werden dafür geschätzt, was Sie mit Ihrer Persönlichkeit aus diesem Modell für sich, Ihr Unternehmen und Ihre Mitarbeitenden herausholen. Wenn Sie neugierig auf meine Ansätze diesbezüglich geworden sind, dann lade ich Sie ein, mein Gast zu sein und mit mir darüber zu sprechen.